Online veröffentlich unter: Abrechnung von Corona-Tests im Visier der Staatsanwaltschaft | Management | ZMK-aktuell.de
Zusammenfassung
Nach der Corona-Testverordnung sind die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, 2 % aller abgerechneten Leistungen im Zusammenhang mit Corona-Tests stichprobenhaft zu überprüfen. Bei Auffälligkeiten wird die Auszahlung der Vergütung zurückgehalten bzw. bereits gezahlte Vergütung zurückgefordert. Besteht darüber hinaus ein Anfangsverdacht für „Abrechnungsbetrug“, drohen sogar strafrechtliche Ermittlungen. Die Aktivitäten sowohl der Kassenärztlichen Vereinigungen als auch der Staatsanwaltschaften in diese Richtung sind rege. Insofern gilt für alle Leistungserbringer, auch für Teststellen, der dringende Rat, peinlich genau auf die korrekte Durchführung, Dokumentation und Abrechnung von Corona-Tests zu achten.
Abrechnung gegenüber Kassenärztlicher Vereinigung
Berechtigt zur Durchführung von Corona-Tests sind neben den von den örtlichen Gesundheitsämtern bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren auch Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Labore (vgl. § 6 Abs. 1, Nr. 1 und 3 TestV). Daneben können auch „Dritte“ als weitere Leistungserbringer mit der Durchführung von „Bürgertests“ nach § 4 a TestV beauftragt werden („Teststellen“). Abzurechnen sind die Leistungen im Zusammenhang mit den erbrachten Corona-Tests durchweg gegenüber der jeweils örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
Plausibilitätsprüfung durch Kassenärztliche Vereinigung
Gemäß § 7 a TestV hat die Kassenärztliche Vereinigung als „Abrechnungsstelle“ zugleich die Aufgabe, die Plausibilität der Abrechnung bezogen auf den jeweiligen Leistungserbringer, einschließlich der abgerechneten Sachkosten für POC-Antigen-Tests und Antigen-Tests zur Eigenanwendung (gem. § 11 TestV) zu überprüfen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach § 7 TestV verpflichtet, 2 % aller Abrechnungen stichprobenartig, d.h. anlasslos zu überprüfen. Bei Auffälligkeiten werden die ordnungsgemäße Durchführung und Abrechnungen der Testungen unter Einbeziehung der lokalen Dokumentation „vertieft“ geprüft. In diesem Zusammenhang sind die Leistungserbringer verpflichtet, der Kassenärztlichen Vereinigung auf Verlangen alle Auskünfte zu erteilen und Dokumentationen zu übersenden, die für die Überprüfung erforderlich sind. Hierzu zählt insbesondere die Auftrags- und Leistungsdokumentation gem. § 7 Abs. 5 TestV, also
z.B.:
- der Nachweis der Beauftragung, und für jeden Tag die Öffnungszeiten der Teststelle und die Anzahl der die Tests durchführenden Personen,
- für jede abgerechnete Leistung die Unterschrift der die Testung durchführenden Person,
- bei der Abrechnung von Sachkosten für POC-Antigen-Tests und Antigen-Tests zur Eigenanwendung der diesbezügliche Kaufvertrag oder die Rechnung,
- die Personalien der getesteten Person, der Testgrund, Tag und Uhrzeit der Testung sowie das Testergebnis.
Reicht der Leistungserbringer die angeforderte Dokumentation nicht bzw. nicht fristgerecht ein, droht erfahrungsgemäß die sofortige Sperrung des Zugangs zum Abrechnungsportal, die Zurückhaltung weiterer Vergütung und eine Ausweitung der Prüfung auf weitere Abrechnungszeiträume.
Was wird geprüft?
Gegenstand der Plausibilitätsprüfung ist die Frage, ob (1) die abgerechneten Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht worden sind, (2) die entsprechenden Dokumentationspflichten vollständig erfüllt worden sind und (3) die geltend gemachten Sachkosten den tatsächlichen Kosten entsprechen.
Beispiele:
(1) Liegt der dokumentierte Zeitpunkt der durchgeführten Testung vor oder nach den Öffnungszeiten der geprüften Leistungserbringers, ist die abgerechnete Leistung dem ersten Anschein nach nicht erbracht worden („Luftleistung“).
(2) Wird die Durchführung eines Abstrichs (vgl. § 12 Absatz 1 i.V.m §§ 2, 3, 4, 4b TestV) und gleichzeitig die Überwachung eines Selbsttests (vgl. § 12 Absatz 2 TestV) abgerechnet, liegt eine klassische „Doppelabrechnung“ vor.
(3) Werden Abstriche oder Selbsttests von Mitarbeitern einer (Zahn-)Arztpraxis zusätzlich zu den Sachkosten abgerechnet, handelt es sich um die Abrechnung von nicht abrechenbaren Leistungen nach § 7 Absatz 3 Satz 2 TestV.
(4) In Arztpraxen, Zahnarztpraxen, psychotherapeutische Praxen dürfen nach § 6 Absatz 4 Satz 3 TestV pro Monat und Mitarbeiter nur zehn PoC-Antigen-Tests oder Antigen-Tests zur Eigenanwendung beschafft und genutzt werden. Wird eine höhere Anzahl von Tests im Zuge der Sachkostenabrechnung nach § 11 TestV fakturiert, handelt es sich ebenfalls um nicht abrechenbare Kosten.
Der Leistungserbringer trägt dabei für die ordnungsgemäße Leistungserbringung und die korrekte Abrechnung der Kosten, einschließlich der Erfüllung der jeweiligen Dokumentationspflichten, die
Darlegungs- und Beweislast. Insofern gilt hier die dringende Empfehlung, entsprechende Dokumentation sicher und jedenfalls bis zum 31.12.2024 (vgl. §§ 7 Absatz 5 Satz 1, 12 Absatz 3, 4 TestV) aufzubewahren, um sich damit im Prüfungsfall entlasten zu können.
Erlangt der Leistungserbringer über ein Anforderungsschreiben der Kassenärztlichen Vereinigung betreffend die Dokumentation Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Prüfverfahren, sollte er bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen
Antrag auf Akteneinsicht stellen, um dann auf der Grundlage aller in der Akte enthaltenen Informationen zu den in Rede stehenden Vorwürfen Punkt für Punkt schriftlich Stellung zu beziehen.
Folgen der Plausibilitätsprüfung und Rechtsschutzmöglichkeiten
Die Kassenärztliche Vereinigung ist berechtigt, die
Auszahlungen der Vergütung während der laufenden Plausibilitätsprüfung zunächst
auszusetzen (vgl. § 7 a Absatz 5 TestV). Da es für die Durchführung und den Abschluss des Prüfverfahrens keine zeitlichen Vorgaben oder Fristen gibt, lässt sich auch die Dauer des Einbehalts der Vergütung nicht sicher prognostizieren. Das Ausbleiben der Vergütung und der Erstattung verauslagter Sachkosten für „unbestimmte Zeit“ kann den Leistungserbringer (insbesondere Testzentren bzw. Teststellen wegen weiterlaufender Betriebskosten wie Miet- und Personalkosten) wirtschaftlich in Bedrängnis bringen, weshalb hier mit der Kassenärztlichen Vereinigung auf allen Ebenen Verhandlungen geführt und ggfs. im einstweiliger Rechtsschutzverfahren vor dem zuständigen Sozialgericht eine (vorläufige) Auszahlung erreicht werden müssen, um eine drohende Insolvenz des Testbetriebs abzuwenden.
Ist die Vergütung an den Leistungserbringer bereits ausgezahlt, hat er diese an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzuerstatten, soweit im Rahmen der Plausibilitätsprüfung festgestellt wurde, dass die Vergütung zu Unrecht (s.o.) gewährt worden war. Die Kassenärztliche Vereinigung macht ihre
Rückzahlungsansprüche durch rechtsmittelfähigen Bescheid geltend bzw. verrechnet den sich ergebenden Rückerstattungsbetrag mit weiteren Forderungen der Leistungserbringer (vgl. § 7 a Absatz 5 TestV). Der Vollzug des Rückforderungsbescheids erfolgt – falls der Leistungserbringer nicht freiwillig bezahlt – im Wege der Vollstreckung nach § 66 SGB X.
Gegen den Bescheid kann der Betroffene zunächst als Vorverfahren nach §§ 78 Absatz 1, 3; 83 SGG Widerspruch bei der Kassenärztlichen Vereinigung erheben. Über den Widerspruch entscheidet der Widerspruchsausschuss per Widerspruchsbescheid. Hat die Prüfung ergeben, dass der Widerspruch zulässig und begründet ist, erfolgt eine sogenannte Abhilfeentscheidung zu Gunsten des Betroffenen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, steht den Betroffenen der Klageweg zum Sozialgericht offen. Beide Rechtsmittel (Widerspruch und Klage) haben gemäß § 87b Absatz 2 Satz 6 SGB V keine aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung auch während des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens rechtswirksam ist und die Rückforderungsansprüche fällig bleiben, sodass ggf. einstweiliger Rechtsschutz in Anspruch genommen werden muss.
Einleitung Strafverfahren
Die Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die bei ihr eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten („§ 81 a SGB V – Stelle“) unverzüglich, wenn die Prüfung ergibt, dass ein Vergütungseinbehalt oder eine Vergütungsrückforderung (s.o.) beschlossen werden müssen und hier ein Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung (also insbesondere ein Vertrags(zahn)arzt betroffen ist.
Die Kassenärztliche Vereinigung soll darüber hinaus die
Staatsanwaltschaft unterrichten, wenn die Prüfung ergibt, dass ein Verdacht auf strafbare Handlungen besteht (vgl. § 7 a Abs. 4 TestV). Das „Unterrichtungsschreiben“ der Kassenärztlichen Vereinigung nimmt die Staatsanwaltschaft in der Regel zum Anlass, gegen den Leistungserbringer (bzw. im Falle einer juristischen Person gegen den verantwortlichen Geschäftsführer, Vorstand, Gesellschafter, Praxisinhaber, Laborleiter, etc.) ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs einzuleiten. Zuständig für die Ermittlungen sind hier regelmäßig spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften (wie z.B. die bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg angesiedelte „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen“ (ZKG)). Von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren erfährt der betroffene Leistungserbringer oftmals erst im Rahmen der Durchsuchung seiner Praxis- bzw. Geschäftsräume durch Polizei oder Staatsanwaltschaft, welche darauf angelegt ist, belastende Dokumentation und andere Beweismittel zu sichern oder Zeugen an Ort und Stelle zu vernehmen. In dieser Situation sollte der Beschuldigte keine Angabe zur Sache machen, sondern zunächst über einen Rechtsanwalt Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen und sich dann ggfs. zum Vorwurf und Umfang des Abrechnungsbetrugs schriftlich einlassen. Ziel der an die Staatsanwaltschaft zu richtenden Einlassung kann es z.B. sein, herauszuarbeiten, dass alleine eine objektiv unrichtige Abrechnung nicht ohne Weiteres den Rückschluss auf vorsätzlichen Abrechnungsbetrug zulässt.
UPDATE
Am 20.01.2023 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 4 KR 549/22 B ER) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes per Beschluss die Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) bestätigt, wonach die Vergütung von Corona-Tests während einer Abrechnungsprüfung vorläufig zurückgehalten werden darf.
Der Fall
Im vorliegenden Fall hatte sich die KVN geweigert, einem Teststellenbetreiber die Vergütung für Corona-Tests auszuzahlen. Als Grund hierfür nannte die KVN die noch anhängige vertiefte Abrechnungsprüfung.
Sodann beantragte der Teststellenbetreiber im gerichtlichen Eilverfahren, die KVN zur Auszahlung von circa 380.000 EUR ausstehendes Honorar, zumindest jedoch zur Auszahlung eines Abschlags von 60% zu verpflichten. Ansonsten drohe dem Unternehmen Insolvenz und dem Geschäftsführer Obdachlosigkeit. Die KVN wandte ein, dass der Teststellenbetreiber die Abrechnungsunterlagen nicht digital eingereicht und diese nach dem vorläufigen Ergebnis der Prüfung auch noch nachträglich verändert habe. Auch die Vorschriften zu Dokumentation seien nicht eingehalten worden.
Die Entscheidung
Das Gericht hat die Rechtsauffassung der KVN mit folgender Begründung bestätigt: Die Überprüfung, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind, sei zentral wichtig. Ohne Einhaltung von Formvorschriften könne eine solche Leistungs- und Abrechnungskontrolle aber nicht stattfinden und eine Qualitätssicherung nicht erfolgen. Dabei könne ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die einschlägigen Abrechnungsbestimmungen auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben. Dies gelte insbesondere bei der Abrechnung von Massen-Leistungen wie hier.
Eine drohende Insolvenz oder Obdachlosigkeit (als Anordnungsgrund) sei vom Antragsteller außerdem nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Insbesondere sei weder eine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) noch ein aktueller Jahresabschluss vorgelegt worden. Vor diesem Hintergrund sei die KVN auch nicht zu einer Abschlagszahlung verpflichtet.
Fazit
Der Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.01.2023 verdeutlich erneut die Bedeutung der Einhaltung von Dokumentationspflichten durch Teststellenbetreiber und stärkt gleichzeitig die Position der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Leistungserbringern.
Um ein Gerichtsverfahren und die damit einhergehende weitere Verzögerung der Auszahlung zu vermeiden, sollte zunächst versucht werden, frühzeitig alle Möglichkeiten von Verhandlungen mit den KVen (und hier auf allen Ebenen) auszuschöpfen. Misslingt dies, kann der Rechtsweg zum Sozialgericht eingeschlagen werden. Ein Gerichtsverfahren (auch im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes) muss allerdings gut vorbereitet sein.
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