Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit "Corona", Urlaub und Entgeltfortzahlung

Zum einen steht in Frage, ob der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern kann, wenn der Arbeitnehmer nach einem Urlaub positiv auf COVID19 getestet wird. Zum anderen ist es wichtig zu wissen, ob der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern kann, wenn ein bei Abreise als unbedenklich eingestuftes Urlaubsland während des Urlaubsaufenthalts dort zum Risikogebiet erklärt wird.

Reisende in Risikogebiete müssen bereits am Zielort oder spätestens bei der Einreise nach Deutschland einen Corona-Test durchführen lassen. Soweit kein negatives Testergebnis vorliegt, haben sie sich – auf Grundlage der jeweils auf Länderebene erlassenen Verordnung zu Quarantänemaßnahmen – in eine 14-tägige häusliche Quarantäne zu begeben. Können Arbeitnehmer während dieser Quarantäne nicht arbeiten, weil zum Beispiel die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice nicht möglich ist, erhalten die Reiserückkehrer während des Quarantänezeitraums grundsätzlich keine Vergütung vom Arbeitgeber, soweit es sich bei der Reise um eine private Urlaubsreise handelte. Insoweit gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“.

Ausnahmen können nach der Regelung der so genannten vorübergehenden Verhinderung zur Erbringung der Arbeitsleistung nach § 616 BGB oder dem Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz) bestehen.

  • Für einen Anspruch nach § 616 BG darf die Anwendbarkeit dieses Paragraphen arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen sein. Zudem darf der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung nicht schuldhaft verursacht haben. Maßstab hierfür sind die Regelungen des EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz). Als dritte Voraussetzung darf die Verhinderung nur „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bestehen. Die Grenze liegt hier bei wenigen Tagen (vgl. BeckOK-ArbR/Joussen, BGB, § 616 Rn. 48). Mit mehrwöchigen Verhinderungen muss kein Dienst- oder Arbeitgeber typischerweise rechnen. Wichtig ist, dass bei Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle der Vergütungsanspruch nach ganz herrschender Meinung vollständig entfällt, das heißt: der Arbeitgeber muss auch nicht für die ersten fünf Tage Lohn zahlen, wenn die Verhinderung insgesamt länger dauert (vgl. BAG, NJW 1960, 741; zuletzt etwa BAG v.11. 8. 1988 – 8 AZR 721/85).
  • Ist ein Arbeitnehmer unmittelbarer Adressat einer behördlichen Anordnung, die ihm die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach § 31 S. 2 IfSG (Infektionsschutzgesetz) untersagt (etwa weil er Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder Träger von sonstigen Krankheitserregern ist) oder gegen ihn nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG Quarantäne verhängt, hat er nach § 56 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2 IfSG Anspruch auf eine Entschädigung. Diese deckt in den ersten sechs Wochen den vollen Verdienstausfall ab und wird danach in Höhe des Krankengeldes gewährt (§ 56 Abs. 2 IfSG). Sie wird nach § 56 Abs. 5 IfSG zunächst (für bis zu sechs Wochen) vom Arbeitgeber ausgezahlt. Auf Antrag wird sie dem Arbeitgeber von der zuständigen Behörde erstattet. Der Entschädigungsanspruch hat allerdings zur Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer allein durch die genannten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstausfall erleidet.
Ist vor Reiseantritt bekannt, dass es sich bei dem Reiseziel um ein vom Robert-Koch-Institut (RKI) oder dem Auswärtigen Amt eingestuftes Risikogebiet handelt, besteht kein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB. Gleiches gilt nach dem IfSG, da auch § 56 IfSG darauf abstellt, ob der Arbeitnehmer die Quarantäne-Situation bewusst verursacht hat bzw. selbst hätte vermeiden können. Selbst nach dem EFZG entfällt im Fall einer Erkrankung an dem Corona-Virus während des Urlaubs der Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit nach der Rückkehr. Der Reiseantritt in ein bekanntes Risikogebiet wird als Verschulden gegen sich selbst gewertet.

Etwas anderes gilt, wenn das RKI bzw. das Auswärtige Amt das Reiseziel erst während der Reise zum Risikogebiet erklärt. Soweit § 616 BGB anwendbar ist, besteht der Vergütungsanspruch fort. Inwieweit in diesen Fällen eine staatliche Entschädigung nach § 56 IfSG in Betracht kommt, ist nicht abschließend geklärt. Erkranken Arbeitnehmer in einer solchen Situation, gilt das EFZG und Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Eine Besonderheit gilt bei Reisebeschränkungen: Sitzen Arbeitnehmer im Ausland fest und können deswegen ihre Tätigkeit nicht rechtzeitig aufnehmen, entfällt der Vergütungsanspruch ebenfalls. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an. Denn das Wegerisiko trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer.

Wir versuchen, unsere Hinweise möglichst aktuell zu halten.

Stefan Griebeling                                                                  Julia Berke
Rechtsanwalt                                                                         Rechtsanwältin
Fachanwalt für Arbeitsrecht