"Corona-Schutzschirm" für Arztpraxen

Am 28.03.2020 ist das „Gesetz zum Ausgleich finanzieller Belastungen in Gesundheitseinrichtungen infolge von COVID-19 (COVID-19-EntlastungsG)“ in Kraft getreten. Es enthält u.a. Umsatzgarantien für Praxen von niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten. Ziel des Gesetzes ist es, die ambulante Versorgung der Bevölkerung während der Coronavirus-Pandemie durch die Arztpraxen auch bei reduzierter Inanspruchnahme durch Patienten finanziell zu sichern und drohende Praxisschließungen abzuwenden.

Unveränderte Höhe der MGV mit Ausgleichzahlungen an Vertragsärzte
Für den ambulanten Bereich sieht das Gesetz vor, dass die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) von den Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) trotz reduzierter Leistungsmenge im regulären Umfang ausgezahlt wird. Die Krankenkassen müssen also genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstellen, wie zu „normalen“ Zeiten. Die MGV soll nicht deswegen geringer werden, weil die Corona-Krise in den aktuellen Quartalen zu einer Minderung der Fallzahl in den Praxen der betroffenen Vertragsärzte führt. Andernfalls würden diese für ihren über obligatorischen Einsatz in der Krise auch noch bestraft werden.

„Corona-bedingte“ Fallzahlminderung als Voraussetzung
Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung durch die KVen an die Vertragsärzte ist durch eine Pandemie verursachte Fallzahlminderung in einem Umfang, die die Fortführung der Arztpraxis gefährden würde. Die Entscheidung darüber, wann eine solche Fallzahlminderung vorliegt, haben die KVen in Abstimmung mit den Krankenkassen zu treffen. Die Entscheidung hat sich an dem Ziel zu orientieren, die gesamte MGV an die Vertragsärzte und Psychotherapeuten auszuzahlen. In den Honorarverteilungsmaßstäben sind entsprechende Regelungen für den Ausgleich vorzusehen.

Ausgleich für extrabudgetäre Leistungen
Ärzte und Psychotherapeuten haben zudem Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für  extrabudgetäre Leistungen wie z.B. Früherkennungsuntersuchungen und ambulante Operationen, wenn der Gesamtumsatz ihrer Praxis (EGV und MGV) um mindestens 10% gegenüber dem Vorjahresquartal sinkt und die Fallzahl aufgrund der Pandemie zurückgeht. Auch durch den Wegfall solcher Leistungen durch die Pandemie soll die Arztpraxi nicht gefährdet werden. Allerdings ist vorgesehen, dass diese Ausgleichszahlungen mit Entschädigungen, die nach dem Infektionsschutzgesetz (InfSchG), z.B. bei einer angeordneten Quarantäne gezahlt werden, verrechnet werden müssen.

Kein Ausgleich für den Wegfall privatärztlicher Leistungen
Nach einer aktuellen Verlautbarung des Verbandes der Privatärztlichen Verrechnungsstellen PVS) betragen die Corona-bedingten Umsatzrückgänge im privatärztlichen Bereich je nach Fachgruppe ca. 35 bis 70%. Irgendwelche Entschädigungen hierfür sind im BMG bisher weder geregelt worden, noch angedacht, da die PKV bekanntlich ein kapitalgedecktes System ist und kein Umlagesystem wie die GKV. Diese Entwicklung wird die Existenzgefährdung mancher Praxen noch verstärken.

Doch Kurzarbeitergeld für Arztpraxen
Nach einer früheren Weisung des BfA sollten Vertragsarztpraxen grundsätzlich kein Kurzarbeitergeld erhalten, da sie bereits durch den „Schutzschirm“ mit den o.g. Ausgleichszahlungen abgesichert seien und deshalb keine wirtschaftlichen Gründe für den Anspruch auf das Kurzarbeitergeld vorliegen würden. Auf Intervention der KBV wurde diese Weisung nun dahingehend abgeändert, dass dies zumindest nicht für die Privatpraxis bzw. den privatärztlichen Teil der Praxis gilt, da es für diese keinen „Schutzschirm“ gebe. Liegen in diesem Bereich bzw. nach der Gesamtsituation der Praxis also existenzbedrohende Umsatzeinbußen vor, kommt Kurzarbeitergeld durchaus in Betracht. In jedem Fall ist nun eine Einzelfallprüfung des Antrags durchzuführen.

Ausgleichsregelungen für Zahnärzte und Heilhilfsberufe?
Zahnärzte und z.B. Physiotherapeuten werden bislang nicht geschützt. Das soll sich aber nach Plänen des BMG nun ändern: Geplant war eine Liquiditätshilfe für Zahnärzte von zunächst 90% der Gesamtvergütung des Jahres 2019, die in 2021 und 2022 in Höhe von 70% wieder zurückgezahlt werden sollte. 30% sollten also als Einmalzuschuss bei den Zahnärzten verbleiben. Allerdings hat das BMG nach Rücksprache mit dem BMF dann entschieden, dass auch dieser Teilbetrag von den Zahnärzten später zurückgezahlt werden muss. Damit handelt es sich insgesamt nur um ein bloßes zinsloses Darlehen. Physiotherapeuten (Beispiel) sollen 40% ihrer Vergütung aus dem 4. Quartal 2019 als Einmalzuschuss erhalten und Reha-Einrichtungen 60% des Tagessatzes für aufgrund der Pandemie leerstehende Betten.

Wir unterstützen sie bei der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche!
Sinkende Fallzahlen allein dürfen nicht das Kriterium sein, ob eine Praxis eine Ausgleichzahlung erhält oder nicht. Auch abgebrochene oder reduzierte Behandlungen werden zu Umsatzrückgängen führen. Auch wenn die Praxen aufgrund der Corona-Pandemie alle Hände voll zu tun haben sollten, wird ihr Umsatz sinken, weil sie bestimmte Leistungen aktuell  nicht abrechnen können, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre Patienten vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen wollen. Bei der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche unterstützen wir Sie gerne mit unserer medizinrechtlichen Fachkompetenz und langjährigen Erfahrung.

Dr. Ralph Steinbrück
Fachanwalt für Medizinrecht
Wirtschaftsmediator