"Corona-Schutzschirm" für Kliniken und Arztpraxen

„Corona-Schutzschirm“ für Kliniken
Der Gesetzgeber hat mit dem am 28.03.2020 in Kraft getretenen Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz Maßnahmen zur Unterstützung der Krankenhäuser in der Corona-Krise ergriffen. So erhalten die zugelassenen Krankenhäuser einen finanziellen Ausgleich (sog. tagesbezogene Ausgleichspauschale) für verschobene planbare Operationen und Behandlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Und auch für die Nichtbelegung von Betten in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen soll es Zahlungen geben. Daneben ist für jedes Intensivbett, welches die Krankenhäuser zusätzlich schaffen, ein Zuschuss i. H. v. 50.000 Euro vorgesehen. Bislang sind die wirtschaftlichen Auswirkungen aber noch nicht genau vorhersehbar. Denn es gibt, wie bei jedem neuen Gesetz, zahlreiche rechtliche Auslegungsfragen, welche die wirtschaftliche Planung für die Krankenhausleitung schwierig machen.

So sieht das Gesetz beispielsweise bei der tagesbezogenen Ausgleichspauschale vor, dass die Ursache des Rückgangs bei der Belegung die Verschiebung von planbaren Eingriffen sein muss. Fraglich ist daher, ob auch der Belegungsrückgang verursacht durch z.B. erkranktes Personal, Wegbleiben von Patienten etc. zu berücksichtigen ist. Weiter wird als Referenzwert für die tagesbezogene Ausgleichspauschale das Jahr 2019 herangezogen. Wie ist aber damit umzugehen, wenn das Jahr 2019 aufgrund z.B. baubedingtem Bettenwegfall nicht repräsentativ ist? Wie ist der Aufbau neuer Kapazitäten in 2020 zu behandeln?

Reine Privatkliniken sind in einigen Bundesländern, wie z.B. in Bayern, ebenfalls von der Pflicht zur Verschiebung von planbaren Eingriffen betroffen. Sie unterfallen aber nicht dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und erhalten die oben beschriebenen Fördergelder daher nicht. Hier stellt sich die Frage, welche anderen Entschädigungsansprüche für diese Häuser ggf. in Betracht kommen.

Es wäre zu wünschen, dass sich die hier nur kurz skizzierten rechtlichen Fragestellungen überwiegend unbürokratisch mit den Vertragspartnern klären lassen. Erfahrungsgemäß ist aber leider auch in der aktuellen Situation durchaus mit Widerstand und rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Kostenträgern zu rechnen.

„Corona-Schutzschirm“ für Arztpraxen
Das „COVID-19-EntlastungsG“ enthält u.a. auch Umsatzgarantien für Praxen von niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten. Ziel des Gesetzes ist es, die ambulante Versorgung der Bevölkerung während der Coronavirus-Pandemie durch die Arztpraxen auch bei reduzierter Inanspruchnahme durch Patienten finanziell zu sichern und drohende Praxisschließungen abzuwenden.

Für den ambulanten Bereich sieht das Gesetz vor, dass die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) von den Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) trotz reduzierter Leistungsmenge im regulären Umfang ausgezahlt wird. Die Krankenkassen müssen also genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstellen, wie zu „normalen“ Zeiten. Die MGV soll nicht deswegen geringer werden, weil die Corona-Krise in den aktuellen Quartalen zu einer Minderung der Fallzahl in den Praxen der betroffenen Vertragsärzte führt. Andernfalls würden diese für ihren über obligatorischen Einsatz in der Krise auch noch bestraft werden.

Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung durch die KVen an die Vertragsärzte ist durch eine Pandemie verursachte Fallzahlminderung in einem Umfang, die die Fortführung der Arztpraxis gefährden würde. Die Entscheidung darüber, wann eine solche Fallzahlminderung vorliegt, haben die KVen in Abstimmung mit den Krankenkassen zu treffen. Die Entscheidung hat sich an dem Ziel zu orientieren, die gesamte MGV an die Vertragsärzte und Psychotherapeuten auszuzahlen. In den Honorarverteilungsmaßstäben sind entsprechende Regelungen für den Ausgleich vorzusehen.

Ärzte und Psychotherapeuten haben zudem Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für extrabudgetäre Leistungen wie z.B. Früherkennungsuntersuchungen und ambulante Operationen, wenn der Gesamtumsatz ihrer Praxis (EGV und MGV) um mindestens 10% gegenüber dem Vorjahresquartal sinkt und die Fallzahl aufgrund der Pandemie zurückgeht. Auch durch den Wegfall solcher Leistungen durch die Pandemie soll die Arztpraxi nicht gefährdet werden. Allerdings ist vorgesehen, dass diese Ausgleichszahlungen mit Entschädigungen, die nach dem Infektionsschutzgesetz (InfSchG), z.B. bei einer angeordneten Quarantäne gezahlt werden, verrechnet werden müssen.

Nach einer aktuellen Verlautbarung des Verbandes der Privatärztlichen Verrechnungsstellen PVS) betragen die Corona-bedingten Umsatzrückgänge im privatärztlichen Bereich je nach Fachgruppe ca. 35 bis 70%. Irgendwelche Entschädigungen hierfür sind im BMG bisher weder geregelt worden, noch angedacht, da die PKV bekanntlich ein kapitalgedecktes System ist und kein Umlagesystem wie die GKV. Diese Entwicklung wird die Existenzgefährdung mancher Praxen noch verstärken.

Nach einer früheren Weisung des BfA sollten Vertragsarztpraxen grundsätzlich kein Kurzarbeitergeld erhalten, da sie bereits durch den „Schutzschirm“ mit den o.g. Ausgleichszahlungen abgesichert seien und deshalb keine wirtschaftlichen Gründe für den Anspruch auf das Kurzarbeitergeld vorliegen würden. Auf Intervention der KBV wurde diese Weisung nun dahingehend abgeändert, dass dies zumindest nicht für die Privatpraxis bzw. den privatärztlichen Teil der Praxis gilt, da es für diese keinen „Schutzschirm“ gebe. Liegen in diesem Bereich bzw. nach der Gesamtsituation der Praxis also existenzbedrohende Umsatzeinbußen vor, kommt Kurzarbeitergeld durchaus in Betracht. In jedem Fall ist nun eine Einzelfallprüfung des Antrags durchzuführen.

Zahnärzte und z.B. Physiotherapeuten werden bislang nicht geschützt. Das soll sich aber nach Plänen des BMG nun ändern: Geplant war eine Liquiditätshilfe für Zahnärzte von zunächst 90% der Gesamtvergütung des Jahres 2019, die in 2021 und 2022 in Höhe von 70% wieder zurückgezahlt werden sollte. 30% sollten also als Einmalzuschuss bei den Zahnärzten verbleiben. Allerdings hat das BMG nach Rücksprache mit dem BMF dann entschieden, dass auch dieser Teilbetrag von den Zahnärzten später zurückgezahlt werden muss. Damit handelt es sich insgesamt nur um ein bloßes zinsloses Darlehen. Physiotherapeuten (Beispiel) sollen 40% ihrer Vergütung aus dem 4. Quartal 2019 als Einmalzuschuss erhalten und Reha-Einrichtungen 60% des Tagessatzes für aufgrund der Pandemie leerstehende Betten.

Sinkende Fallzahlen allein dürfen nicht das Kriterium sein, ob eine Praxis eine Ausgleichzahlung erhält oder nicht. Auch abgebrochene oder reduzierte Behandlungen werden zu Umsatzrückgängen führen. Auch wenn die Praxen aufgrund der Corona-Pandemie alle Hände voll zu tun haben sollten, wird ihr Umsatz sinken, weil sie bestimmte Leistungen aktuell nicht abrechnen können, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre Patienten vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen wollen.

Bei der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche unterstützen wir Sie gerne mit unserer medizinischen Fachkompetenz und langjährigen Erfahrung.

Anna Brix
Fachanwältin für Medizinrecht

Dr. Ralph Steinbrück
Fachanwalt für Medizinrecht